EIN ZUFÄLLIGER FUND SOLLTE ZUM WICHTIGSTEN FUND DER HISPANISCH-WESTGOTISCHEN KUNST UND KULTUR WERDEN

Wie fand man den Schatz?

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Gemälde von Simona Morales, der Tochter der Finder, von 1860 bis 1870

Nach den Aufzeichnungen der Entdecker Francisco Morales und María Pérez wurde der Schatz zufällig am 25. August 1858 gefunden, als die beiden von Toledo nach Guarrazar unterwegs waren. Sie sahen einen funkelnden Gegenstand im Loch zwischen Platten, die durch den starken Regen des Vortages freigelegt worden waren.

Der Schatz, den sie dann fanden, bestand aus mehreren Votivkronen aus Gold, Edelsteinen, Perlen, Glas etc sowie aus mehreren Kreuzen, Kelchen und anderen Gegenständen aus Gold, die sich in einer 70 ×70 cm großen und 1m tiefen Box aus Mörtel befanden. Ein weiterer Teil des Schatzes wurde von einem Bauern namens Domingo de la Cruz gefunden, der das Archäologenehepaar bei seinen Grabungen beobachtet hatte.

Es begann eine intensive Suche nach Teilen des Schatzes, die früher entdeckt und gestohlen worden waren, was zur Zurückgabe einiger Funde durch Bauern der Umgebung führte. J. Amador de los Ríos beschrieb den Zustand der Nekropole, in der der Schatz gefunden wurde, allerdings als kläglich, so dass sicher ein Teil des archäologischen Erbes verloren gegangen war, weil bereits verschiedene Stellen Grabungsversuche aufwiesen.

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J. Amador de los Ríos, der 1859 die Dokumentation in Guarrzar begann

Zielorte des Schatzes

Nach dem heimlichen Verkauf einiger Stücke an Juweliere, wurde der Großteil des von F. Morales gefundenen Schatzes 1859 an die französische Regierung verkauft und im Mittelaltermuseum in Paris ausgestellt. Erst 1941 wurden sechs der neun Kronen an Spanien zurückgegeben und befinden sich seitdem im Archäologischen Nationalmuseum in Madrid.

Der zweite Teil des Schatzes wurde von der Familie von Domingo de la Cruz mehr als zwei Jahre versteckt gehalten. Währenddessen wurde ¾ des Schatzes zerlegt und verkauft. 1861 übergab die Familie den Rest an die Königin Isabel II, darunter eine Krone, die vom König Suintila gestiftet worden war. Nachdem sie 1921 gestohlen wurde, ist ihr Verbleib unbekannt.

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Foto vom Ende des 19.Jh. mit dem Rest, der von Domingo de la Cruz an die Königin Isabel II übergeben wurde
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Vitrine des Mittelaltermuseums in Paris, wo immer noch ein Teil des Schatzes aufbewahrt wird

Erforschung des Schatzes

Auch wenn nur noch 10 Kronen erhalten sind, schätzt man, dass 23 gefunden wurden. Der Großteil der verschwundenen Stücke war aus dem Fund von Domingo de la Cruz, z.B. eine Krone ähnlich der von Suintila und Recesvinto, so dass man glaubt, sie wäre von einem anderen König gewesen. Beim Verkauf an Juweliere wurden nicht nur die Kronen sondern auch Prozessionskreuze aus Gold und Edelsteinen zerlegt, so dass man nicht weiß, wie diese wirklich aussahen.

Die Finder erwähnten auch eine Taube und eine Gürtelschnalle aus Gold, die ebenfalls verschwunden sind.

Erst 1995 wurde der Schatz wissenschaftlich von einem Team aus Belgien, Spanien und Frankreich analysiert, das zu dem Schluss kam, dass Smaragde aus Tirol und Saphire aus Sri Lanka verwendet wurden. Auch über die Zusammensetzung des Metalles und dessen Verarbeitung wurden neue Erkenntnisse gewonnen.

Bild vom im Arch. Nationalmuseum von Madrid ausgestellten Schatz (plus einer Krone, die vom königlichen Palast zur Verfügung gestellt wurde)

Ein Kirchenschatz aus Toledo oder Guarrazar?

Nach 150 Jahren von Spekulationen über die Herkunft des Schatzes, deren Reichtum auf die wichtigen Kirchen Toledos schließen ließ, glauben die jetzigen Archäologen, die in Guarrazar arbeiten, fest an eine Herkunft aus Guarrazar, nämlich aus einem dort stehenden Heiligtum namens Santa Mará in Sorbaces, weil dieser Name in eine der Kronen eingraviert ist.

Die königlichen Kronen von Suintila und Recesvinto und der dritten ähnlichen Krone legen eine Verbindung zu den westgotischen Königen nahe.

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Votivkrone des Königs Suntila
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Votivkrone des Königs Recesvinto

Symbologie der Votivkronen

Die Verwendung von Kronen als Symbol für Könige und Kaiser geht auf das byzantinische Reich zurück, und soll wohl das Himmelsgewölbe symbolisieren.

Dem menschlichen Herrscher sollte so ein göttlicher Stellenwert zugeschrieben werden. Der Kaiser Justizian wird immer gekrönt dargestellt. Bei den Kronen von Guarrazar wird auf den gekrönten Jesus Christus Bezug genommen. Alle Kronen enthielten wohl ein Kreuz und standen so in christlicher Tradition.

Die Tatsache, dass auf den Kronen der Name des Spenders eingraviert war, zeigt die politische Bedeutung einer solchen Spende und deutet auf eine Weihe im Rahmen einer religiösen Zeremonie hin.

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Bild des Kaisers Justizian im Mosaik der Kirche San Vital in Ravena (547)
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Bild aus der Kirche von Reichenau (Schweiz, 12. Jh.) mit von der Decke hängender Krone mit Kreuz

Wo der Schatz von Guarrazar entdeckt wurde

Erstaunlicherweise geriet der Fundort des Schatzes völlig in Vergessenheit.

150 Jahre lang nach dem Fund interessierte sich niemand außer Hirten und Bauern im Rahmen von Landwirtschaft für die Gegend. Erst 2014 wurde das aktuelle Projekt zur archäologischen Studie begonnen, wobei zuerst der abgeladene Müll entfernt werden musste. Das freigelegte Gelände und die Beschreibung von J. Amador de los Ríos beweisen, dass der Schatz keine 20 Meter von der Quelle entfernt gefunden wurde.

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Luftaufnahme (2014) des städtischen Waldes und des angrenzenden Feldes mit der Nekropole, wo der Schatz gefunden wurde
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Beschreibung der Fundstelle des Schatzes, veröffentlicht von José Amador de los Rios im Jahr 1861.
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Skizze des Fundortes des Schatzes, erstellt auf Anordnung der Justizbehörde im Jahre 1859.

Der letzte Fund

Bei der Säuberung der Quelle im Jahr 2014 fand die Bürgermeisterin von Guarrazar, Sagrario Gutiérrez, ein letztes Stück des berühmten Schatzes. Dies zeigt, dass F. Morales den gefundenen Schatz wohl an dieser Quelle wusch. Dieses letzte Stück wurde dem Museo de Santa Cruz in Toledo übergeben, nachdem das Instituto Gemólogico Español die Herkunft des Saphirs auf Sri Lanka festgelegt hatte.

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Foto des Saphirs, der 2014 von der Bürgermeisterin von Guadamur gefunden wurde
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Zafiro wurde 2014 von Sagrario Gutiérrez, Bürgermeister von Guadamur, an der Quelle gefunden.
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Stellungnahme des spanischen geologischen Instituts zu der 2014 in Zaire durchgeführten Analyse.